Prävention – das Wichtigste beim Thema Sicherheit

Wenn man, so wie ich, im Lungau und eben nicht in Hollywood aufwächst, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten, um aus dem Tal zu kommen: Entweder über den Berg oder durch den Berg hindurch. Die zweite Möglichkeit hat mich schon als Kind fasziniert.

Heute darf ich als Tunnelmanagerin genau in diesem spannenden Bereich arbeiten und freue mich, dass unsere Tunnel zu den sichersten in Europa gehören.

  • Pannenbuchten und Notrufnischen
  • Flucht- und Rettungswege
  • Lüftungssysteme
  • Verkehrskameras/Videodetektion
  • Akustisches Tunnelmonitoring

Das sind nur fünf von vielen Einrichtungen, die wir einsetzen, um die Sicherheit in unseren Tunnel auf höchstem Niveau zu halten.

Trotz unseres Fokus auf Vorbeugung von Unfällen, kommt es immer wieder zu unvorhersehbaren Ereignissen. So zum Beispiel im Oktober 2018 im Gleinalmtunnel. Ein tonnenschwerer Kran fing damals Feuer und beschädigte den Tunnel schwer. Zum Glück wurde niemand ernsthaft verletzt. Dennoch mussten 81 Personen schnell evakuiert und das Feuer gelöscht werden. Dafür ist das richtige Handeln der Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, eine perfekte Abstimmung zwischen den Einsatzkräften und meinen Kolleginnen und Kollegen notwendig. Nur so können Menschenleben gerettet und Schäden begrenzt werden.

💥 Jeder Handgriff muss sitzen, um im Ernstfall Leben retten zu können. 💥

Den Ernstfall im Tunnel üben

Sich erst im Moment eines Ereignisses die richtigen und wichtigen Schritte zu überlegen, ist eindeutig zu spät. Zwischenfälle in Tunnel kommen zwar nicht öfter vor als jene im Freiland, sie sind aber komplexer und im Falle eines Brandes viel gefährlicher. Gerade deshalb sind regelmäßige Tunnelübungen in unterschiedlichen Gegebenheiten so wichtig.

Szenarien für Tunnelübungen gibt es viele. Ein Brandereignis ist eine Möglichkeit, wolkenbruchartige Regenfälle mit Überschwemmungen wie im Tunnel Vösendorf 2018 oder ein Geisterfahrer auf der S 10, sind weiter. Fest steht: Bei unseren Großübungen geben die Beteiligten alles. Denn im Ernstfall zählt jede Minute.

Seit 2006 legt das Straßentunnel-Sicherheitsgesetz (STSG) für Tunnel mit einer Länger von mehr als 500 Metern fest, dass geübt werden muss. Das Gesetz gilt für Tunnelbetreiber und Einsatzorganisationen gleichermaßen.

  • Großübungen finden alle 4 Jahre statt.
  • Kleinübungen finden jährlich statt.

Bei Kleinübungen werden einzelne Sicherheitsbereiche des Tunnels für den Ernstfall getestet. Hier werden unter anderem Schulungen durchgeführt, Alarm- und Einsatzpläne kontrolliert, gesamte Tunnelanlagen (also der Tunnel mit seiner gesamten Technik) genauestens unter die Lupe genommen oder aber die Betriebs- und Sicherheitseinrichtungen inspiziert.

So richtig spannend wird es aber erst bei den Großübungen. Hier geht es darum,

  • unter möglichst realistischen Bedingungen
  • mit straßenpolizeilichen Maßnahmen
  • komplexe Szenarien
  • mit klaren Resultaten
  • ohne Schäden am Tunnel

durchzuspielen und die gesamte Einsatzkette auf ihre Funktionalität und Effizienz hin zu testen. Wir im Tunnelmanagement sind in diesem Fall die „Produzenten“. Wir planen und koordinieren die Übungen, die schließlich vor Ort im großen Rahmen stattfinden.

So nah an der Realität wie möglich

Ziel der Großübungen ist es also, ein Unfallgeschehen so real wie möglich nachzustellen. Dazu werden Einsatzkräfte herangezogen, aber auch Statisten eingesetzt, die wie Verletzte geschminkt sind und genaue Instruktionen erhalten, wie sie sich verhalten sollen. Teilweise sind bis zu 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei so einer Übung involviert. Löschen, Retten und Bergen lautet dabei immer die Reihenfolge für die Einsatzkräfte.

Wie groß solche Tunnelübungen ausgelegt sein können, zeigt sich an der Liste der beteiligten Einsatzkräfte:

  • Feuerwehr
  • Rettungsdienste
  • Polizei
  • Bezirkshauptfrau oder -mann
  • Katastrophenschutzmanagement
  • Sicherheitsbeauftragte
  • Autobahnmeisterin oder -meister
  • Überwachungszentrale

Bei einer Übung im Karawankentunnel 2013 waren sogar 700 (!) Personen involviert, da auch das Krankenhaus in das Übungsszenario eingebunden war. Tunnelübungen sind ein wirklich herausforderndes und komplexes Einsatzszenario – fast wie ein gelungener Hollywood-Film.

Einsatzübung - Wer schreibt das Drehbuch?

Wir vom Tunnelmanagement arbeiten gemeinsam mit dem Kommando der Blaulichtorganisationen und den Sicherheitsbeauftragten die Szenarien der Einsatzübungen aus. Dafür sind meist mehrere Abstimmungstermine notwendig.

Wir legen fest

  • wann und wo im Tunnel die Übung stattfindet
  • wer was bei der Vorbereitung des Szenarios macht
  • wie die optimale Einsatzkette funktioniert
  • was das Übungsziel ist.

Da das Szenario nur mit bzw. vom Kommando ausgearbeitet wird, erfahren die Übungsteilnehmer, so wie im richtigen Ereignis, erst bei der Alarmierung die genauen Details. Nur so können wir Tunnelübungen realistisch nachstellen. Natürlich sind wir bei jeder Übung immer live dabei.

Um unsere Einsatzübungen reibungslos durchführen zu können, müssen wir den Tunnel für den Verkehr sperren. Das ist für die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer nicht immer angenehm, aber anders sind diese Übungen nicht machbar, denn unsere Einsatzkräfte müssen alle Zufahrten und Querungen nutzen können. Die Sperren werden hauptsächlich in den verkehrsärmeren Nachtstunden eingerichtet, damit der Verkehr so wenig wie möglich gestört wird.

Nach der Tunnelübung ist vor der Tunnelübung

Nach jeder Einsatzübung gibt es eine Nachbesprechung und Analyse:

  • Was ist gut gelaufen?
  • Wo gibt es Verbesserungsbedarf?
  • Hat die Alarmierungskette funktioniert?
  • Was können wir nächstes Mal anders oder besser machen?
  • Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus der Übung ziehen?

Der gesamte Übungsablauf wird überprüft und protokolliert und als Grundlage für die nächste Übung im jeweiligen Tunnel herangezogen.

Keine Tunnelübungen ohne freiwillige Helfer:innen

Die zum Großteil freiwilligen Helfer:innen – ob Einsatzkräfte oder Statist:innen -  nutzen meist ihre Freizeit, um für mehr Sicherheit auf unseren Autobahnen zu sorgen. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal herzlichst bedanken. Ohne ihr Engagement wären die Tunnelübungen nicht möglich!

Dagmar Jäger
Dagmar Jäger

Tunnelmanagerin ASFINAG Service GmbH

Seit 2007 begleitet sie Tunnelsanierungs- und Neubauprojekte von der Planung, über den Bau bis zum Betrieb der Anlagen in der Steiermark. Im Fokus steht dabei die Umsetzung des Straßentunnelsicherheitsgesetzes. Sie ist unter anderem für die Durchführung der Einsatzübungen in Tunnel über 500 Meter Länge verantwortlich.