Statistiken zeigen regelmäßig, dass der Verkehr auf unserem Streckennetz zunimmt. Sie zeigen aber auch, dass die Zahl schwer Verunglückter stetig zurückgeht. Das ist erfreulich, denn wir investieren jedes Jahr rund 500 Millionen Euro in die Verkehrssicherheit. Doch es sind nicht nur die Menschen, die unser Straßennetz für das Überbrücken von Distanzen nutzen. Auch Tiere wollen „sicher und bequem“ an ihr Ziel kommen. Das wissen wir und daher gilt für uns: Gut und vor allem sicher ausgebaute Autobahnen dürfen mit Natur- und Umweltschutz nicht in Widerspruch stehen.

Wussten Sie, dass wir beim Neubau hochrangiger Straßenverbindungen bereits seit vielen Jahren 20 bis 30 Prozent der Gesamtkosten eines Projektes in den Schutz von Menschen, Tieren und Umwelt investieren? 🙌

Wildtiere auf Wanderschaft

Auf ihren Wanderungen müssen Wildtiere viele Herausforderungen meistern – eine der größten Gefahren dabei ist die Straße. Umgekehrt stellen wandernde Wildtiere aber auch für Fahrerinnen und Fahrer ein großes Gefahrenpotenzial dar. Vor allem während der Paarungszeit der Tiere herrscht erhöhtes Kollisionsrisiko.

Hormongesteuerte Rehe etwa haben mit Beginn der Rehbrunft im Juli nur mehr Herzchen in den Augen und geraten in ihrem Liebesrausch oft in Konflikt mit dem Straßenverkehr. Damit das nicht passiert, werden unsere Autobahnen umfassend mit Wildschutzzäunen gesichert.

Um den Tieren in Österreich ihre Wanderungen trotz aller Barrieren zu ermöglichen und einem erfolgreichen Liebesspiel keinen Strich durch die Rechnung zu machen, bauen und erhalten wir Grünquerungen, auch Grünbrücken genannt. Sie ermöglichen den genetischen Austausch über (oder unter) den Straßen hinweg, verhindern dadurch Isolationseffekte sowie Inselpopulationen und tragen infolgedessen wesentlich zum Erhalt der Artenvielfalt bei.

Laufende Kontrolle von Grünquerungen

Bei der Planung und Errichtung von Grünquerungen wird in Genehmigungsverfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) primär auf größere Säugetiere (Rothirsch, Reh, Hase etc.) Rücksicht genommen. Um zu prüfen, ob die Grünquerungen für diese Tierarten auch funktionieren, führen wir mehrjährige (5 bis 10 Jahre) Kontrollen, so genannte Monitorings, durch. Sollten diese laufenden Kontrollen zeigen, dass die Funktionalität unserer Grünquerungen nicht gegeben ist, reagieren wir mit konkreten Verbesserungsmaßnahmen.

Über die Bestätigung der Funktionalität unserer Grünbrücken für größere Säugetiere hinaus, wollen wir zusätzlich wissen, welchen ökologisch relevanten Nutzen sie zu bieten haben. Im Zuge eines Forschungsprojekts haben wir uns daher angeschaut, welche Tiergruppen sonst noch von unseren Grünquerungen profitieren.

Grünquerungen als Lebensraum für kleine und große Tiere

Wie der Name schon sagt, besteht die primäre Funktion einer Grünquerung darin, Tieren das ungefährliche Queren unserer Autobahnen und Schnellstraßen zu ermöglichen. Bei der Planung werden die Grünquerungen so dimensioniert, dass sie von regional bedeutsamen Arten genutzt werden können. Dabei handelt es sich immer um große Säugetiere mit ebenfalls großem Aktionsradius wie Rothirsche, Rehe, Wildschweine oder Gämsen.

Im oben erwähnten Forschungsprojekt haben wir uns darüber hinaus angesehen, ob die Funktionalität auch für Arten mit kleinem Aktionsradius gegeben ist, wie Wirbellosen (Heuschrecken, Tagfalter, Laufkäfer etc.) und Reptilien (Zauneidechse, Hornotter etc.). Schließlich sind auch das schützenswerte Lebensformen, die einen wichtigen Beitrag für das ökologische Gleichgewicht leisten.

Zahlen, Daten, Fakten zum Lebensraum Straße

Zur Erhebung von großen Säugetieren werden Kameras verwendet. Naturgemäß sind jedoch Arten, die kleiner als eine Feldmaus sind, mit dieser Erhebungsmethode in den Ergebnissen unterrepräsentiert, da sie oftmals versteckt leben. In unserem Forschungsprojekt haben wir daher zusätzlich zu den Kameras folgende Erhebungsmethoden angewandt:

  • Künstliche Verstecke in Form 1 x 1 m großer Teichfolien-Stücken zur Erhebung von Reptilien
  • Barberfallen zur Erhebung von bodengebundenen Kleinlebewesen wie z.B. Laufkäfern
  • Nistkästen zur Erhebung von Bilchen (z.B. Haselmäuse, Siebenschläfer)

Um das Ganze ein bisschen mit Zahlen zu garnieren: Während unseres einjährigen Monitorings konnten durch die verschiedenen Erhebungsmethoden insgesamt 21 verschiedene Säugetierarten (inkl. Mensch) erhoben werden.

Sehr gefreut hätten wir uns auch über Sichtungen so genannter large carnivores, großer Fleischfresser, wie etwa Bären, Wölfe oder Luchse. Da diese Arten generell in Österreich eher selten vorkommen, war die Wahrscheinlichkeit im Zuge des Forschungsprojekts auf derartige Exemplare zu stoßen verschwindend gering. Ein Nachweis gelang uns leider nicht. Dafür beobachteten wir zum Beispiel:

  • Rothirsche und Rehe,
  • Fischotter
  • Ziesel und Haselmäuse,
  • Reptilien (darunter auch die Smaragd- und Zauneidechse sowie die Hornotter)
  • Laufkäfer (insgesamt 15.105 Individuen)
  • Falter- und Heuschrecken
Erwähnenswert sind dazu auch noch unsere Skorpionfunde auf der Grünbrücke Arnoldstein an der A2 (Kärnten). Dies ist auch deshalb so interessant, weil Skorpione zu den ausbreitungsschwachen Tierarten zählen. Ein Nachweis auf der Grünquerung bestätigt also nicht nur die funktionierende Vernetzung von Lebensräumen, sondern auch die generelle Annahme der Grünquerung als Lebensraum.
Elisabeth Ransmayr Lacon, Technisches Büro für Landschaftsplanung

Worin liegt der konkrete Nutzen unserer Grünquerungen?

In unserem Forschungsprojekt wurden von Ziesel und Igel über die Zauneidechse bis hin zu diversen hochgradig spezialisierten Insektenarten zahlreiche Arten erfasst, die auf unseren Grünquerungen einen geeigneten Lebensraum vorfinden und diesen auch besiedeln. Das ist vor allem auf Grünbrücken der Fall.

Bei Unterführungen konnte die Nutzung als Lebensraum hingegen nur eingeschränkt nachgewiesen werden. Das ist damit zu erklären, dass in Unterführungen für die meisten Tierarten nur bedingt geeignete Biotope vorhanden sind: ungeeignete kleinklimatischen Bedingungen, zu viel Schatten oder auch geringe Gestaltungsmöglichkeiten. All das lässt Tierarten eher selten an diesen Orten verharren.

Eine Grünquerung funktioniert dann, wenn sie von allen Tieren des Umlandes auf ihren Wanderungen oder sogar als Lebensraum genutzt wird. Gar nicht so einfach, da natürlich jedes Tier sein ganz spezifisches „Wohnzimmer“ will. Auf überregionalen Wildtier-Korridoren, wie z.B. dem Alpen-Karpaten-Korridor, erwarten wir uns darüber hinaus auch Tiere, die weite Wanderungen unternehmen. Das wäre etwa der Rothirsch.
Egle Macijauskaite Umwelt- und Verfahrensmanagement, ASFINAG Bau Management GmbH

Unsere Grünquerungen als Lebensraum geschützter Arten

Dass eine Grünquerung funktioniert, wissen wir aber auch, weil sie nicht nur von mobilen, sondern auch von weniger mobilen Tierarten genutzt werden. Zu den mobilen zählen Rehe, Wildschweine, Gämsen, Feldhasen, Dachse oder Igel. Die zweite Gruppe umfasst Heuschrecken, Tagfalter, Laufkäfer und Reptilien. Durch das Projekt können wir mittlerweile bestätigen, dass all diese Tierarten unsere Grünquerung zur Lebensraumvernetzung nutzen.

Es wird aber noch besser: Einige Tiere haben unsere Querungen sogar bereits unmittelbar als Lebensraum angenommen! Dazu zählen zum Beispiel der Deutsche Skorpion, die Hornotter, die Haselmaus und das Ziesel. Darauf können wir besonders stolz sein, denn sie alle zählen zu den geschützten Tierarten. Das unterstreicht die besondere Bedeutung unserer Grünquerungen für den Erhalt von geschützten Arten noch einmal deutlich.

Wir sind bemüht im Zuge unserer Monitorings darauf zu achten, dass unsere Grünquerungen von möglichst vielen Artengruppen frequentiert werden. Verbesserungen sind meist sehr leicht zu erreichen. Für viele Arten wie Reptilien und Kleinsäuger sind beispielsweise Versteckmöglichkeiten und Sonnenplätze, wie offene Stellen oder Lesesteinhaufen wichtige Strukturen. Um die Habitateignung unserer Grünquerungen für diese Tiere zu erhöhen, versuchen wir durch Totholz und Reisighaufen geeignete Trittsteine zu schaffen.
Johanna Balatka Betriebliche Erhaltung, ASFINAG Service GmbH

Best practice: Unsere Grünbrücke Arnoldstein an der A 2 Süd Autobahn

Abschließend bleibt noch zu erwähnen, dass Grünquerungen unter Umständen einige Jahre benötigen, bis sie von verschiedenen Tierarten angenommen wurden. So ist beispielsweise unsere Grünbrücke Arnoldstein an der A 2 ein echtes Vorzeigebeispiel. Sie verbindet erfolgreich die umliegenden Biotope miteinander und dient darüber hinaus als Korridor für weit wandernde Arten. Zusätzlich lassen lokal vorkommende Arten wie die Hornotter und Skorpione auf eine entsprechend gute Strukturierung der Querung schließen.

Diese Brücke bietet demnach eine Vielzahl an ökologischen Nischen und ermöglicht eine erfolgreiche Querung sowie Nutzung als Lebensraum für zahlreiche Arten. Dass die Grünbrücke so gut funktioniert, liegt nicht zuletzt auch an ihrem Alter. Das Bauwerk wurde bereits 1982 errichtet und ist daher von Tieren und Pflanzen bereits gut erschlossen.

Der Lebensraum Autobahn und Schnellstraße ist, wie Sie sehen können, doch grüner und belebter, als er auf den ersten Blick erscheint. Wir freuen uns über die viele kleinen und großen Erfolge im Bereich Nachhaltigkeit und Grünraummanagement und werden auch in Zukunft Wege und Möglichkeiten finden, diesen Lebensraum für unsere Tier- und Pflanzenwelt zu erhalten.

Brigitte Sladek
Brigitte Sladek

Leiterin des Fachbereiches Umwelt- und Verfahrensmanagement

Brigitte Sladek ist seit 2014 bei der ASFINAG BMG und leitet den Fachbereich Umwelt- und Verfahrensmanagement. Neben der Betreuung von Genehmigungsverfahren liegt ihr als Landschaftsplanerin der nachhaltige Umgang mit der Natur sehr am Herzen.