Fahrtauglichkeit: Wann Sie sich nicht hinter das Lenkrad setzen sollten
Wir alle haben vor der Fahrprüfung eine ärztliche Untersuchung gemacht, die unsere Fahrtauglichkeit bestätigt. Das bedeutet aber nicht, dass dieser Zustand beibehalten wird: ein gebrochener Arm, eine Erkältung oder seelische Belastungen können unsere Fahrtauglichkeit beeinflussen. Alkohol und Drogen ebenfalls. Leider wird über manche dieser Punkte viel zu selten gesprochen. Das möchten wir ändern. Was Lenker:innen beachten sollten, bevor Sie ins Fahrzeug steigen, darum soll es in diesem Beitrag gehen.Bekannte und unbekannte Unfallrisiken
Unsere Unfallstatistik zeigt es immer und immer wieder: Zu den häufigsten Unfallursachen im Straßenverkehr gehören Unachtsamkeit, zu wenig Abstand und eine nicht angemessene Fahrgeschwindigkeit. Das sind alles Dinge, die wir als Lenkerinnen und Lenker mit unserem Verhalten gut beeinflussen und daher ändern können.
Kaum eine Lenkerin oder ein Lenker bringt sich und andere absichtlich in Gefahr. Ein großes Gefahrenpotenzial ist allerdings die Unwissenheit, die in vielen Bereichen herrscht. Dinge, die wir in der Fahrschule gelernt haben, geraten nicht selten in Vergessenheit, aber auch sich ändernde Gesetze bringen Neuerungen und Unsicherheiten mit sich. Unwissenheit gibt es aber auch in vielen anderen Bereichen, die das Fahrverhalten anscheinend nur am Rande betreffen.
Wissen Sie, ob Sie mit einem Gipsfuß fahren dürfen? Wissen Sie, wie sich die Einnahme von Schmerz- oder Fiebertabletten auf Ihre Reaktionsfähigkeit auswirkt? Wissen Sie, wie sehr Liebenskummer die Aufmerksamkeit beeinflussen kann?
Bei einigen dieser Fragen ist ein Schmunzeln vorprogrammiert. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass all das potenziell negative Einflussfaktoren für die Fahrtauglichkeit darstellen.
Alkohol am Steuer? Was sagt die Gesetzeslage?
Natürlich wissen wir alle, dass Alkohol unsere Reaktionsfähigkeit beeinflusst und damit die Verkehrssicherheit massiv gefährdet. Dieses Wissen alleine schützt allerdings nicht. Nur so ist zu erklären, dass immer wieder Fahrerinnen und Fahrer nach ausgiebigem Alkoholkonsum in ihr Fahrzeug steigen – ganz im Glauben, dass noch alles in bester Ordnung ist und sie ihren Wagen sicher lenken können.
Die Gesetzeslage hat diesem subjektiven Empfinden eine klare Regelung gegeben: Die Höchstgrenze des Alkoholgehalts im Blut liegt derzeit bei 0,5 Promille. Für Besitzerinnen und Besitzer eines Probeführerscheins sowie Lkw- und Buslenkende gilt eine 0,1-Promille-Grenze. Wer sich dennoch angetrunken hinters Steuer setzt und dabei von der Polizei angehalten und getestet wird, muss mit einer Verwaltungsstrafe von bis zu € 3.700 (bis 0,79 Promille) und einer Vormerkung rechnen. Ab 0,8 Promille ist der Führerschein für mindestens einen Monat weg (im Wiederholungsfall innerhalb von fünf Jahren mindestens sechs bis zwölf Monate) und es muss ein kostenpflichtiges Verkehrscoaching besucht werden.
Besonders schlimm sind die Folgen nach einem Unfall. Die Haftpflichtversicherung kann, wenn mehr als 0,8 Promille nachgewiesen wurden, bis zu 11.000 Euro auf dem Regressweg vom alkoholisierten Unfall-Verursacher zurückverlangen. Rechtsschutz- und die Kaskoversicherungen steigen hier komplett aus. Eine ausführliche Auflistung von drohenden Konsequenzen finden Sie auf der Website des ÖAMTC.
❗ Wichtige Info vom Kuratorium für Verkehrssicherheit: Bereits wenige Promille führen zur Beeinträchtigung der Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit im Straßenverkehr. Wer also mit 0,5 Promille in einen Unfall verwickelt wird, kann vom Gericht als fahruntüchtig eingestuft werden. Dadurch können hohe Kosten entstehen, etwa, wenn Kosten des Unfallopfers übernommen werden müssen.
Der Morgen danach – mit einem „Kater“ ist nicht gut Lenken?
Alkohol und Autofahren passen nicht zusammen, das wissen wir also. Doch was ist mit dem Tag nach dem Rausch? Die Gefahr von Restalkohol im Blut ist durchaus gegeben. Unser Körper baut pro Stunde etwa 0,1 Promille ab. Das ist wahrlich nicht viel, wie dieses Beispiel zeigt:
Wenn ein Mann mit achtzig Kilogramm Körpergewicht zwischen 19 und 24 Uhr fünf Bier (0,5 Liter) und zwei Schnäpse trinkt, hat er um Mitternacht ungefähr 1,5 Promille im Blut. Bei einem Abbaufortschritt von 0,1 Promille in der Stunde, hat er um 7 Uhr morgens noch einen Rest-Alkoholspiegel von 0,8 Promille - und ist damit weit (!) über der vorgeschriebenen Grenze. Auf der sicheren Seite wäre der Fahrer erst ab ca. 14 Uhr. Zu dieser Zeit beträgt der Alkoholgehalt im Blut unter 0,3 Promille.
Ein ernüchterndes Rechenbeispiel, wie wir finden. Nutzen Sie am Morgen danach also lieber öffentliche Verkehrsmittel statt das eigene Fahrzeug.
Auch Medikamente beeinflussen die Fahrtauglichkeit
Dem Kuratorium der Verkehrssicherheit (KFV) zufolge kommen in Österreich auf drei alkoholisierte Lenkerinnen und Lenker etwa zwei unter Medikamenteneinfluss hinzu. Dabei beeinflussen etwa 20 bis 30 Prozent aller Medikamente, egal ob rezeptpflichtig oder rezeptfrei, die Fahrtauglichkeit der Lenkenden. Trotz dieser klaren Sachlage, wissen nur wenige Fahrerinnen und Fahrer über die Auswirkungen diverser Medikamente auf ihr Fahrverhalten Bescheid.
Viele Medikamente haben auf das zentrale Nervensystem eine dämpfende Wirkung. Das kann zu geringerer Aufmerksamkeit, vermindertem Reaktionsvermögen oder auch Müdigkeit führen. Manche Medikamente beeinflussen allerdings auch das Urteilsvermögen und die Selbsteinschätzung, dennoch wird seitens des Fachpersonals in Arztpraxen und Apotheken eher selten darauf hingewiesen. Es liegt in der Eigenverantwortung der Lenkerin und des Lenkers, sich im Beipackzettel schlau zu machen oder beim Erwerb der Medikamente direkt nachzufragen.
Stellt die Polizei bei einer Kontrolle oder nach einem Unfall eine Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit in Folge einer Medikamenteneinnahme fest, folgt auch hier eine Verwaltungsstrafe in Höhe von bis zu € 726. Ein Führerscheinentzug oder die Überprüfung der gesundheitlichen Eignung sind ebenfalls möglich. Im Falle eines Unfalls unter Medikamenteneinfluss wird darüber hinaus auch Ihre Versicherung zumindest eine Teilschuld feststellen.
Egal ob geringe Schmerzen oder leichtes Fieber, Tabletten sollten Sie immer mit Bedacht wählen und einnehmen, wenn Sie danach ans Steuer müssen. Informieren Sie sich vorab genau und handeln Sie immer verantwortungsvoll für sich und andere.
Eingeschränkte Fahrtauglichkeit unter Drogenkonsum
Drogen und Suchtmittel haben im Straßenverkehr eindeutig keinen Platz, nicht zuletzt deshalb, weil vieles im Zusammenhang mit Suchtmitteln verboten ist. Der Konsum von Drogen und Suchtgiften an sich ist nicht strafbar, aber dafür fast alles andere, was damit zu tun hat: der Erwerb, der Besitz, das Verkaufen, Verteilen, Überlassen, die Erzeugung sowie die Ein- oder Ausfuhr. Abgesehen davon ist auch ihre negative Wirkung auf die Fahrtauglichkeit unumstritten und genau darum geht es uns in diesem Beitrag.
Die Straßenverkehrsordnung verbietet die Inbetriebnahme eines Fahrzeuges in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand. Wird man dennoch von der Polizei kontrolliert und diese vermutet einen Drogenkonsum, wird man von einer Ärztin oder einem Arzt entsprechend untersucht. Wird dabei der Drogenkonsum-Verdacht bestätigt, erfolgt eine Blutabnahme.
Ein Lenken unter Suchtmitteleinfluss hat natürlich rechtliche Folgen. Eine Verwaltungsstrafe von € 800 bis € 3.700 ist der Anfang. Auch der Führerschein wird für einen Monat entzogen. Bei einem Verkehrsunfall beträgt die Entziehungsdauer mindestens drei Monate. Kommt es innerhalb von fünf Jahren zu einem weiteren Fall von Drogenkonsum, wird der Führerschein für mindestens acht Monate entzogen.
Suchtmittel haben auf unsere Fahrtauglichkeit einen massiven negativen Einfluss. Sie können zahlreiche körperliche und psychische Auswirkungen haben. Fehleinschätzungen in kritischen Situationen oder die Überschätzung des eigenen Fahrvermögens sind nur zwei mögliche Nebeneffekte. Diese psychoaktiven Substanzen wirken direkt im Gehirn. Sie schlagen sich unmittelbar und teilweise langfristig auf unsere Wahrnehmung, unser Verhalten und unser Handeln nieder.
Fahren mit Gips? Lieber nicht!
Die Antwort auf die Frage, ob man mit Gips Autofahren darf oder nicht, ist nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick scheint. Gerade Fahrerinnen und Fahrer mit Automatikschaltung fühlen sich trotz eines Gipsarmes oder Gipsfußes oftmals durchaus fähig, ihr Fahrzeug zu lenken. Doch was sagt das Gesetz?
Es gibt in der Tat kein Gesetz, das das Autofahren mit Gips verbietet. Der §58 der STVO besagt allerdings, dass Lenkerinnen und Lenker, eine Gefährdung für andere darstellen, wenn sie aufgrund körperlicher Mängel – und das kann ein gebrochener Arm sein - nicht im Stande sind, ein Fahrzeug sicher zu lenken. Sicher zu lenken heißt, jederzeit angemessen reagieren zu können. Ob das, Automatik hin oder her, mit eingegipsten Gliedmaßen möglich ist, bezweifeln viele Expertinnen und Experten zurecht. Fahren mit Gips beeinflusst unserer Meinung nach die Fahrtauglichkeit massiv. Nicht zuletzt wird auch in der Fahrschule immer wieder darauf hingewiesen, das Lenkrad mit beiden Händen festzuhalten.
Gut zu wissen: So unklar die Gesetzeslage scheint, so eindeutig sieht die Sachlage wohl Ihre Versicherung. Beim Fahren mit Gips handelt es sich aus der Perspektive von Versicherungen um grobe Fahrlässigkeit. Kommt es zu einem Verkehrsunfall, sind Sie teilschuldig, egal wie der Unfall zustande kam. In diesem Fall bezahlt Ihre Versicherung den Schaden am Fahrzeug nicht oder nur unvollständig.
Zu alt fürs Autofahren? Nicht unbedingt
Immer wieder wird eine Frage heiß diskutiert: Ist man ab einem bestimmten Alter „zu alt“ fürs Lenken eines Fahrzeuges? Diese Frage scheint auf den ersten Blick durchaus berechtigt und nicht selten werden regelmäßige Fahrtauglichkeit-Kontrolltests für ältere Fahrende verlangt. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich allerdings durchaus interessante Perspektiven und Blickwinkel.
Österreich zählt, genauso wie Deutschland, Frankreich, Polen, Belgien und Bulgarien, zu jenen europäischen Ländern, in denen der Führerschein auf Lebenszeit vergeben wird. Andere europäische Staaten verpflichten ihre älteren Führerscheinbesitzerinnen und -besitzer die Fahrtauglichkeit ab dem 70-sten Lebensjahr regelmäßig testen zu lassen. Das geschieht mittels medizinischer Untersuchung, Seh- und Fahrtest oder einem Selbsteinschätzungstest. Aber wie sinnvoll und hilfreich sind diese Tests eigentlich?
Ja, es stimmt natürlich, mit zunehmenden Alter werden so manche Dinge beschwerlicher. Die Leistungsfähigkeit sinkt in vielen Bereichen ab.
- Motorische Leistungen: körperliche Fitness, Hand-Augen-Koordination, Reaktionsfähigkeit, Beweglichkeit usw.
- Sensorische Leistungen: Hörvermögen, Sehschärfe, periphere Wahrnehmung, Kontrast- und Farbsehen etc.
- Kognitive Leistungen: Aufmerksamkeit, Konzentration, Ablenkbarkeit, Überblicksfähigkeit u.ä.
Diese Auflistung wirkt auf den ersten Blick fast beängstigend, aber Fakt ist: Die Leistungsfähigkeit in diesen Bereich mag tendenziell mit dem Alter sinken, sie ist aber nicht an das Alter an sich gebunden. Alkohol, Drogen, Medikamente und psychische Belastungen können einen ähnlichen Leistungsabfall bewirken. Ganz allgemein gesprochen gibt es unter den älteren Fahrerinnen und Fahrern eine enorme Varianz in den genannten Leistungsbereichen.
Die meisten betagten Fahrerinnen und Fahrer stellen kein signifikant größeres Unfallrisiko dar. Sie haben meist deutlich mehr Erfahrung und zeigen weniger Risikobereitschaft. Der Großteil kennt die eigenen Belastungsgrenzen. So werden lange Fahrten, besonders bei schlechtem Wetter und schwierigen Straßenverhältnissen, gemieden. Sie trinken meist weniger Alkohol und halten sich an Tempolimits. Sie vermeiden Ablenkungen durch Handy und Navi und bereiten sich auf ihre Fahrten meist sehr gut vor. Auch Pausen werden von älteren Verkehrsteilnehmenden viel ernster genommen. Alles in allem also durchaus „Musterschülerinnen und Musterschüler“ – und dennoch gibt es immer wieder Ausnahmen, genauso wie bei sehr jungen Fahrerinnen und Fahrern.
Auch hier ist also die Eigenverantwortung der Lenkerin und des Lenkers gefragt. Da der Leistungsabfall mit dem Alter schleichend kommt, merken viele Betroffene nicht oder erst spät, dass das Fahren doch eine größere Herausforderung darstellt, als es noch vor einigen Jahren war. Viele sind aber im Moment der Erkenntnis so umsichtig und verantwortungsvoll, dass sie aus eigener Überzeugung auf das Lenken eines Fahrzeuges verzichten.
Wenn die Psyche auf die Fahrtauglichkeit drückt
Psychische Belastungen, Stress, Liebeskummer, Angstzustände, Depressionen – all das sind nicht sichtbare Einflussfaktoren, die sich massiv auf die Fahrtauglichkeit auswirken können. Aber nicht nur, dass derartige Belastungen meist nicht offensichtlich sind, sie werden von vielen immer noch als lächerlich und irrelevant abgetan oder schlicht nicht öffentlich thematisiert.
Natürlich ist ein Fall von akutem Liebeskummer mit keiner ernstzunehmenden psychischen Erkrankung gleichzusetzen, sie können aber ähnliche Auswirkungen auf unser Fahrverhalten haben. Hier ist besonders das persönliche Umfeld gefragt, das unterstützend zur Seite stehen sollte, besonders dann, wenn die betroffene Person Medikamente einnimmt, um seelische Leiden zu lindern.
Denken Sie immer daran: Verkehrssicherheit ist Teamwork und wir können alle einen Beitrag dazu leisten. Die eigene Fahrtauglichkeit regelmäßig zu hinterfragen ist dabei ebenso wichtig, wie das Streckennetz instand zu halten und neue Erkenntnisse und Technologie in unsere Arbeit einfließen zu lassen.