Nur regelmäßig inspizierte Brücken sind sichere Brücken

Brücken gehören sicherlich zu den spannendsten Bauwerken auf unserem Streckennetz. Sie müssen nicht nur sich selbst tragen, sondern auch all die Fahrzeuge, die oft in hoher Zahl und Geschwindigkeit über sie hinwegfahren. Zudem kommen geologische und wetterbedingte Einflüsse hinzu. Wussten Sie zum Beispiel, dass sich Brücken teilweise bis zu einem Meter strecken und wieder zusammenziehen können? Aber auch Streusalz, Regen und Korrosion machen unseren Brücken zu schaffen.

Damit Sie dennoch immer sicher unterwegs sind, werden unsere Brücken in regelmäßigen Abständen kontrolliert. Alle sechs Jahre lassen wir unsere Brücken von externen Sachverständigen mit einem sogenannten Brückenuntersichtsgerät kontrollieren, alle zwei Jahre nehmen wir selbst den Zustand unserer Brücken unter die Lupe. Wie diese Kontrollen unserer Kolleginnen und Kollegen genau aussehen, können Sie in diesem Beitrag nachlesen.

Brückeninspektionen mit Drohnen: Innovative Grundlagenarbeit

Von den insgesamt circa fünf Millionen Quadratmetern Brückenoberfläche, die österreichweit in den Verantwortungsbereich der ASFINAG fallen, wird etwa ein Sechstel jährlich von Hand geprüft. Das Kontrollieren von Brücken ist, wie Sie sehen, mit viel Aufwand verbunden und es kann mehrere Tage dauern, bis eine komplette Brückenuntersuchung vollzogen ist. Hier sind helfende Hände gerne gesehen.

Besonders Brücken mit hohen Pfeilern und Bogentragwerken sind auf herkömmliche Weise schwer zu kontrollieren. Daher kommen seit einiger Zeit Drohnen mit hochauflösenden Kameras zum Einsatz. Die auf den Drohnen montierten Kameras nehmen von allen Seiten Aufnahmen der Brücke auf. So können wir den Zustand der Brücke und jegliche Veränderungen genau dokumentieren. Damit wird die Erstellung des Prüfberichts für die Sachverständigen vereinfacht.

Die Ergebnisse einiger vergangener Forschungsprojekte waren durchwachsen. Ein Grund mehr für uns, intensiv in diesem Bereich forschend zu arbeiten. Wir leisten hier innovative Grundlagenarbeit für die Zukunft.

3D-Brücken-Zwillinge mittels KI

Im Rahmen eines Forschungsprojektes zur digitalen Bauwerksprüfung mittels Künstlicher Intelligenz, gemeinsam mit dem Joint Venture Strucinspect, haben wir uns angesehen, wie KI uns bei den Inspektionen unserer Brücken unterstützen kann. Für dieses Projekt wurden sowohl die Feldaisttalbrücke an der S 10 Mühlviertler Schnellstraße, als auch die Teichlbrücke an der A 9 Pyhrn Autobahn herangezogen. Mit den bereits erwähnten Drohnen wurden mithilfe von Kameras und Sensoren tausende Aufnahmen der Bauwerke angefertigt. Diese Daten wurden dann zur Erstellung eines „digitalen Zwillings“ - eines 3D-Modells des realen Bauwerks - herangezogen. Diese virtuelle Darstellung bildet den Gesamtzustand der Brücke mit sämtlichen Mängeln ab.  

An dieser Stelle kommt nun die KI zum Einsatz. Diese unterstützt die Auswertung des gesammelten Bildmaterials und hilft Muster zu erkennen, womit Veränderungen schneller und leichter identifiziert, analysiert, markiert und dokumentiert werden können.

Noch einmal zum Vergleich: Bei einer „klassischen“ Brückeninspektion müssen einzelne Mängel identifiziert und durch Fotos und Notizen aufgezeichnet werden. Diese Schadensinformationen werden per Hand in Tabellen und Plänen dokumentiert, die wiederum die Grundlage für einen manuell erstellten Inspektionsbericht darstellen und in weiterer Folge für die Festlegung von Instandsetzungsarbeiten herangezogen werden, damit kein größerer wirtschaftlicher Schaden eintritt oder die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird.

Bei der digitalen Bauwerksinspektion erfolgt die vollständige Erfassung des Bauwerkszustandes mittels hochauflösender Aufnahmen. Diese bilden die Grundlage für den „digitalen Zwilling“, aus dem die Identifikation sowie Dokumentation automatisch herausgelesen und ebenso automatisch ein Inspektionsbericht gezogen werden kann.

Wichtig zu wissen: Der finale Befund mit der Zustandsbewertung wird in beiden Fällen von einer erfahrenen Ingenieurin bzw. einem erfahrenen Ingenieur verfasst. 

Derzeitige Grenzen und Entwicklungen der KI bei der Bauwerksprüfung

So positiv die ersten Ergebnisse des Forschungsprojektes auch waren, es gibt immer noch viel zu tun und zu lernen. Es gibt Schadenstypen, wie etwa Hohl- oder Feuchtstellen, die durch die genannte Methode kaum oder nur schwer erfasst werden können. Durch den Einsatz unterschiedlicher Kameraarten wird sich aber auch das in naher Zukunft mit Sicherheit verbessern.

Folgende Schadenstypen können hingegen bereits problemlos detektiert werden: Risse, Abplatzungen, freiliegende Bewehrung, Korrosion, etc. Durch weitere Inspektionen wird die sogenannte „Trainingsdatenbank“ (also die Sammelstelle von Erkenntnissen und Daten) ständig erweitert und somit das Lernen für die KI ermöglicht. Auf diese Weise wird die Qualität des Ergebnisses verbessert, was die daraus abgeleiteten Informationen zum Bauwerkszustand zur Grundlage für eine rasche Beurteilung durch Fachleute für Bauwerksprüfung machen.

Was es an dieser Stelle noch braucht, sind optimale Rahmenbedingungen, etwa die Definition einheitlicher Datenstrukturen oder auch ein simples Eingabe-Tool für die Prüfung vor Ort. Es gibt also noch viel zu tun, aber die Erkenntnisse und Erfahrungen dieses Projekts zeigen schon sehr klar, in welche Richtung es in Zukunft für die Bauwerksprüfung gehen wird.

Das Thema Digitalisierung im Bereich der Bauwerksprüfung gewinnt immer mehr an Bedeutung, sowohl in Österreich als auch international. Ein zumindest teil-digitalisiertes Arbeiten verschafft Erleichterung bei der Optimierung, Prüfung und Bewertung von Prozessen und bringt somit mehr Effektivität, Transparenz und Sicherheit für alle Beteiligten.

Erwin Pilch
Erwin Pilch

Erhaltungsmanager, ASFINAG Bau Management GmbH

Erwin Pilch startete 2011 als Brückenexperte bei der ASFINAG im Fachbereich Technik und Innovation und wechselte 2019 ins Asset Management.