Wer schon einmal mit dem Auto südlich von Wien an jenem Punkt unterwegs war, wo A 23 und A 2 ineinander münden, kennt sie: die ASFINAG-Verkehrsmanagementzentrale in Inzersdorf. Im 24-Stunden-Betrieb überwachen hier Mitarbeiter:innen den Verkehr und aktivieren je nach Situation und Erfordernis Verkehrsmanagement-Maßnahmen.

Doch auf welcher Grundlage werden welche Maßnahmen gesetzt? Und wer ist zu welchem Zeitpunkt eingebunden? All diese Fragen unterliegen einer konstanten Weiterentwicklung, denn längst schon liegen Verkehrsmanagement und Verkehrsinformation in Österreich nicht mehr bei nur bei den Institutionen eines einzelnen Verkehrsträgers, sondern werden ganzheitlich und in all ihren Zusammenhängen betrachtet. Dazu gehören gut abgestimmte Entscheidungsprozesse sowie durchgängige und möglichst widerspruchsfreie Kommunikation an die Kundinnen und Kunden über alle verfügbaren Kanäle (vom Verkehrsfunk bis hin zu einer der zahlreichen Smartphone-Apps).

Klingt komplex, ist es auch. Deshalb arbeiten wir regelmäßig im Rahmen von nationalen und internationalen Projekten mit den wichtigsten Partnern aus Verkehr und Mobilität zusammen. Die Erfolgsfaktoren hierbei sind vielfältig, aber ein Kriterium steht immer ganz oben: Alle Innovationen im Mobilitätsmanagement sollen zur täglichen Routine werden und den Verkehrsfluss unterstützen und verbessern. Denn nur mit konstanter Verbesserung kann Mobilität nachhaltiger werden und die ASFINAG – gemeinsam mit allen Akteuren in der österreichischen Mobilitätslandschaft – ihre Rolle als Mobilitätspartner auf diesem Weg wahrnehmen.

Verkehrsmanagement im Überblick

Verkehrsteilnehmende erwarten sich verlässliche Verkehrsinformation auch (und vor allem) bei geplanten Ereignissen – wie beispielsweise Baustellen – und den damit verbundenen Einschränkungen des Verkehrsangebots. Aber auch bei ungeplanten Ereignissen wie Defekten, Überlastung oder Unfällen wird eine verlässliche und zeitnahe Information erwartet. Gleichzeitig rückt der Bedarf nach integrierten Verkehrsmanagements zur effizienten Nutzung vorhandener Infrastrukturkapazitäten aufgrund beschränkter Möglichkeiten zum Aus- und Neubau zunehmend in den Vordergrund.

Im Fall eines Ereignisses werden Maßnahmen in Kooperation mit lokalen Einsatzkräften, Betreibern sowie der Exekutive gesetzt. Verkehrsmanagement endet aber nicht mit der einfachen Schaltung von Geschwindigkeitsbeschränkungen oder mit Sperren auf unseren Überkopfanzeigen.

Die aktuellsten Initiativen werden in mehreren fokussierten Projekten erarbeitet und umgesetzt. In diesem Projektverbund findet ein konstanter Fluss an Informationen statt, der aufeinander aufbauend zu verbesserten Ergebnissen in der täglichen Mobilität führt. Profitieren können dabei sowohl die Verkehrsteilnehmenden durch individuellere Angebote als auch die Betreibenden von Infrastruktur durch eine besser koordinierte Ausnutzung ihrer Kapazitäten. Es gilt „lediglich“, alle Handlungsmöglichkeiten richtig zu nutzen.

Zur Hebung der Potenziale und Erreichung der Ziele des Mobilitätsmasterplanes müssen neben der Definition von übergreifenden Verkehrsinformations- und Verkehrsmanagementmaßnahmen insbesondere wesentliche Umsetzungen in den Bereichen Strategie, Kooperation sowie organisatorische und rechtliche Grundlagen erfolgen. Am oberen Ende – mit direktem Kontakt zu den Nutzenden – möchten wir hier ein aktuell laufendes Projekt vor den Vorhang holen und die Aktivitäten der ASFINAG und des Konsortiums vorstellen.

Das Projekt MUST im Detail

Ziel

In Österreich existiert eine vielfältige Basis an Verkehrsinformationen, die über Rundfunk, straßenseitige Anzeigen, Apps und Webservices Informationen über das aktuelle Verkehrsgeschehen geben. Um die komplexen Anforderungen insbesondere multimodaler Mobilität zu berücksichtigen, müssen aber die zahlreichen Informationskanäle verstärkt in ihrem Zusammenspiel betrachtet und auch gestaltet werden. Verkehrsinformationen müssen Nutzer:innen vom ersten Gedanken an einen Weg bis hin zur Ankunft widerspruchsfrei und effizient abholen. Die gewünschten kurzfristigen Effekte des Verkehrsmanagements sollen dabei ebenso Wirkung entfalten wie längerfristige Lenkungseffekte vor dem Hintergrund der Grundsätze „Vermeiden – Verlagern – Verbessern“.

Das Projekt MUST stellt sich in seiner Gesamtdauer von 36 Monaten dieser Aufgabe und beleuchtet die multimodale Verkehrssteuerung durch Kombination innovativer Informationskanäle. Einerseits sollen im Zuge des Projekts bestehende Kanäle umfassend analysiert und verbessert werden, andererseits soll auch das Potenzial neuer Kanäle erhoben und getestet werden. Dazu wird ein Set an prototypischen Customer Journeys entworfen und in vier Pilotkorridoren (Flachgau, Pongau, Mühlviertel und Industrieviertel) auf ihre Praxistauglichkeit überprüft.

Ziel ist das Identifizieren und Anwenden von Lösungen, um Verkehrsinformation in mittel- und langfristiger Zukunft durchgängig und effizient zu gestalten sowie Lenkungseffekte in Richtung Multimodalität und nachhaltigen Verhaltens im Verkehr zu erzielen.

Vorgehensweise

Im ersten Schritt werden in MUST umfassend die innerhalb des Konsortiums verfügbaren Informationskanäle erhoben. Dazu gehören selbstverständlich Apps, aber auch Aushänge an Bahnsteigen, Wechselverkehrszeichen und Callcenter. Aus dem Marketing wird in weiterer Folge das Konzept der Customer Journey und der Touchpoints übernommen. Eine Customer Journey bezeichnet im Projektkontext die gesamte Historie einer Reise, beginnend beim ersten Gedanken über Hin- und Rückweg bis hin zur „Nachbereitung“ in Form von Diskussionen über mögliche Probleme entlang eines Weges oder auch Feedback an Verkehrsbetreiber.

Entlang einer Customer Journey gibt es unzählige Touchpoints, also jene Punkte, an denen Nutzer:innen mit Mobilitätsinformation aus einem oder mehreren Kanälen in Berührung kommen können. Hier wird es nun spannend, denn um echten Mehrwert zu erzielen, muss die Information genau auf Zweck der Reise und den Zeitpunkt abgestimmt sein und darf nicht widersprüchlich zu anderen Informationsquellen sein. Auch die Unterscheidung zwischen Push- und Pull-Distribution ist hier maßgeblich, denn Push-Meldungen können in bestimmten Situationen einen hohen Stellenwert einnehmen, etwa bei Verspätungen, oder sogar sicherheitskritisch sein, wie im Falle von plötzlichen Extremwetterereignissen.

Um zu wissen, wer die Nutzer:innen eigentlich sind, in welchen Situationen sie welche Informationen als Mehrwert empfinden und wie auf bestehende Verhaltensmuster im Sinne einer nachhaltigeren Mobilität eingewirkt werden kann, werden in MUST mehrere Befragungen durchgeführt. In einem ersten Schritt wird in einer repräsentativen Stichprobe ein generelles Stimmungsbild für ganz Österreich erhoben. Dieses wird dann in Folgebefragungen verfeinert, die sich auf die ausgewählten Projektkorridore beziehen. Dabei kommen sowohl Online-Surveys als auch persönliche Gespräche zum Einsatz, je nach Anwendungsfall und Zielgruppe.

Die sogenannten prototypischen Customer Journeys betrachten auf der einen Seite routinisierte Arbeits- und Pendelwege, auf der anderen Seite nicht-routinisierte Freizeitwege. Von der großflächigen Betrachtung von Pendler:innenströmen im Industrieviertel über tourismusrelevante Betrachtungen in Salzburg bis hin zur direkten Arbeit mit Vereinen in Oberösterreich wie den Black Wings Linz ist alles dabei. Denn Mobilitätsbedürfnisse und Bedarfe an zugehörigen Informationen sind je nach Zweck, Zeit und Ort unendlich vielfältig. MUST greift darum einige archetypische Szenarien heraus und versucht, im Kontext des Mobilitätsmasterplans Österreich Verbesserungen in den Bereichen „Vermeiden-Verlagern-Verbessern“ anzustoßen.

Das Projektkonsortium ist hierfür bestens aufgestellt, denn es kombiniert zentrale Stakeholder aus den Bereichen Verkehr und Infrastruktur, Wissenschaft, Technologie und Medien. Dazu zählen neben der ASFINAG auch die ÖBB, der OÖ Verkehrsverbund, der Verein s.mobil, VAO und VOR sowie die Wiener Lokalbahnen, ORF, ÖAMTC, AlphaHapp, FH OÖ, Fluidtime, netwiss, tbw research, Salzburg Research und RISC Software. Viele reichweitenstarke Informationskanäle befinden sich im direkten Wirkungsbereich dieses Konsortiums, was eine effiziente und zielgerichtete Abwicklung der Projektinhalte und eine effektive Pilotphase im Projekt sicherstellt.

Hinweis Fundingschema

Das Projekt MUST wird im Rahmen des Programms „Mobilität (2022) Städte und Digitalisierung“ im Auftrag des Bundesministeriums für Klimaschutz gefördert bzw. finanziert und von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft abgewickelt.

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Alexander Hausmann
Alexander Hausmann

Projekt- und Servicemanager der ASFINAG im Bereich Verkehrsinformation und MaaS