Was sind Fahrbahnübergänge?

Fahrbahnübergänge, auch Fahrbahnübergangskonstruktion genannt, sind Übergangskonstruktion zwischen Brücken und festen Fahrbahnen. Sie gleichen die Bewegungen von Kräften aus, die auf die gesamte Brückenkonstruktion wirken. Diese Bewegungen der Brücke entstehen durch Temperaturschwankungen und eine hohe Verkehrsbelastung. Sie können je nach Brücke wenige Millimeter bis hin zu einem Meter reichen.

Im klassischen Brückenbau liegt die Fahrbahn daher auf Brückenlagern, damit sie die verschiedenen Kräfte, die auf sie einwirken, schwingend und gleitend aufnehmen kann. Fahrbahnübergänge an den Brückenenden gleichen diese Unterschiede und einwirkenden Kräfte aus. Sie ziehen sich zusammen oder auseinander und werden daher auch Dehnungsfugen genannt.

Im Laufe der Zeit wurden unterschiedliche Konstruktionen für derartige Übergänge entwickelt, wie zum Beispiel:

  • Fingerübergänge
  • Rollverschlüsse
  • Schleppblechübergänge
  • Lamellenfahrbahnübergänge
  • Kunststoffmodifizierter Asphalt

Fingerübergänge (verzahnte Fugen) werden schon seit etwa 100 Jahren verwendet und laufend weiterentwickelt. Anfangs konnten damit nur Dehnstrecken bis etwa 300 Millimeter ausgeglichen werden. Inzwischen schafft man mit neuen Bauarten 640 Millimeter und zukünftig könnten sogar 800 Millimeter möglich sein. 

Rollverschlüsse können bei großen Dehnwegen über 500 Millimeter eingesetzt werden. Die Konstruktion ist relativ komplex, da mehrere Stahlplatten ineinandergreifen und auf einer „Gleitkonstruktion“ hin- und herrutschen, um die Bewegungen der Brücke auszugleichen.

Schleppblechübergänge bestehen aus einem dünnem Stahlblech, das fest auf der Brücke angebracht wird. Auf der „Landseite“ liegt dieses Blech lose auf und kann sich somit, wenn sich die Brücke ausdehnt, bewegen. Diese Methode kommt allerdings nur noch im Baustellenbereich für kleine Dehnwege und kurzzeitige Überplattungen zum Einsatz. 

Fingerübergänge herkömmlicher Bauart, Rollverschlüsse und Schleppblechübergänge sind allesamt nicht wasserdicht. Deshalb wurden wasserdichte Lamellenfahrbahnübergänge entwickelt. Durch diese Übergänge können sich Brücken bis zu einem Meter „strecken“ während die darunterliegende Konstruktion gleichzeitig vor Wasser geschützt wird. 

Für kurze Dehnstrecken (bis 40 Millimeter) eignen sich auch Fahrbahnübergänge aus Asphalt, die mit Kunststoff angereichert und somit flexibler sind, so genannte „elastische Belagsdehnfuge“.

Warum müssen Fahrbahnübergänge vor Nässe geschützt werden?

Unter diesen Fahrbahnübergangskonstruktionen befinden sich die Widerlager der Brücken, die die Brückentragelemente mit dem Boden verbinden. Bei sehr großen Brücken braucht man auch Trennpfeiler. Ein wichtiger Bestandteil der Widerlager ist die sogenannte Auflagerbank. Hier befinden sich die Brückenlager, auf denen das Tragwerk liegt. Sie ermöglichen der Brücke ihre Ausdehnung bei Temperaturanstieg bzw. das Zusammenziehen beim Abkühlen.

Die Widerlager oder Trennpfeiler bestehen zum Großteil aus Stahlbeton. Wenn im Winter die Straße von Schnee und Eis mittels Tausalz befreit wird, kann diese Salzlösung bei wasserundichten Übergangskonstruktionen auf die Stahlbetonteile gelangen. Dort dringt sie in den Beton ein und schädigt den Beton. Es kommt zu Abplatzungen und der Stahl korrodiert. Durch den Einsatz von wasserdichten Konstruktionen können wir das Eindringen von salzhaltigem Tauwasser minimieren und somit die Langlebigkeit der Brücke gewährleisten.

Warum müssen Fahrbahnübergänge gewartet werden?

Fahrbahnübergänge sind aus Stahl und müssen regelmäßig, je nach Verkehr etwa alle 20 bis 25 Jahre, getauscht werden. Nur so können die notwendige Beweglichkeit der Dehnfugen, die Bausubstanz der Brücke selbst und somit die Verkehrssicherheit gesichert werden.

Aber noch bevor diese Übergänge komplett getauscht werden, werden sie von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern regelmäßig gewartet und gereinigt. Dies geschieht in Wien, aber auch auf anderen stark befahrenen Strecken, meist in der Nacht. Die Autobahnmeisterei sperrt dafür Fahrspuren und ein Reinigungsfahrzeug kommt zum Einsatz. Die Zwischenräume der Fahrbahnübergänge werden mit Wasser und Hochdruck gereinigt. Dabei werden Staub und Unrat aus den Fugen entfernt. Das ist wichtig, damit sich die Brücke ungehindert bewegen kann.

Danach werden die Gummis in den Zwischenräumen auf Beschädigungen (Löcher oder herausgerissene Anschlüsse) überprüft. Bei gröberen Beschädigungen werden diese gemeldet und zu einem späteren Zeitpunkt repariert. Nach erfolgter Reinigung und Prüfung werden die Fahrspuren wieder freigegeben. 

Wie wir Fahrbahnübergänge tauschen

Ein regelmäßiger Austausch dieser Dehnungsfugen lässt sich nicht vermeiden. Es kommt daher regelmäßig zu Baustellen meist größeren Ausmaßes. Eine bewährte Methode Fahrbahnübergänge zu tauschen und dennoch die Verfügbarkeit des Streckennetzes zu gewährleisten, ist ein sogenannter „Fly Over“, eine Rampe auf der Brücke, wo darunter die Fahrbahnübergänge ausgetauscht werden. 

Autofahrende aus Wien kennen diese Konstruktion bereits, da sie auf der A 23 bereits mehrmals zum Einsatz kam. Spursperren wären an solch kritischen Streckenabschnitten nicht denkbar, da der gesamte Verkehr zum Erliegen kommen würde.

Was macht einen Fly Over besonders?

Der größte Pluspunkt eines Fly Overs ist also, dass der Verkehr während der Sanierungsarbeiten unbehindert fließen kann, während unsere Mitarbeitenden unter der Konstruktion arbeiten.

Der Auf- bzw. Abbau eines Fly Overs ist eine komplexe Aufgabe und nimmt im Durchschnitt etwa 8 Stunden in Anspruch. Das an einem Wochentag durchzuführen, ist aufgrund der erforderlichen Spursperren nicht möglich. Das Zeitfenster unter der Woche ist allerdings zu klein und es würde sich Stau bilden. Deshalb werden der Ab- und Aufbau auf Wochenenden verlegt.

Beim Aufbau eines vierspurigen Fly Overs – z.B. auf der Tangente - werden rund 20.000 Einzelteile von etwa 45 Arbeitskräfte verbaut. Diese Einzelteile werden mit 16 Tiefladern in der richtigen Reihenfolge antransportiert und mittels Autokran verhoben, also eine Leistung die durchaus seine Zeit braucht. Aber das ist nicht alles, was einen Fly Over auszeichnet:

  • Der Fly Over ist als Baukastensystem mit Steck- und Schraubverbindungen konstruiert, um ein rasches und sicheres Aufstellen zu ermöglichen.
  • Um das Gewicht möglichst gering zu halten, wird besonders fester Stahl verwenden.
  • Ein Dünnbelag aus einer Spezialbeschichtung mit eingestreutem Quarzsand auf der Fahrbahn gewährleistet ein sicheres Bremsen.
  • Trotz der leichten Konstruktion, können auch schwere Lkw den Fly Over befahren.
  • Nach jedem Einsatz wird der Fly Over wieder zerlegt, generalüberholt und kann sofort wiederverwendet werden.
  • Die Arbeitshöhe im Bereich der Dehnungsfüge beträgt 1,60 m.

Der „kleine Bruder“ des Fly Overs

Eine alternative Baustellenabdeckung kam 2019 in Wien zum Einsatz und wurde von vielen Wienerinnen und Wienern auch liebevoll als "Hupferl" bezeichnet. Da die Baustelle auf der Praterbrücke nicht abgebaut und auch der große Fly Over aus technischen Gründen nicht aufgebaut werden konnte, der Verkehr allerdings unter Tags laufen musste, setzten wir erstmals eine aufklappbare Baustellenabdeckung ein.

Diese Konstruktion besteht aus drei Stahlplatten, die fahrstreifenweise mittels Ladekran aufgeklappt werden können. Brigitte Müllneritsch, ASFINAG-Regionalleiterin für Wien, erklärt: „Die Funktion ähnelt dem Öffnen einer Zugbrücke. Die Platten sind mit Gelenken miteinander verbunden und dadurch beweglich.“ Anders als beim „großen Bruder“ kann allerdings unterhalb dieser Konstruktion nicht gearbeitet werden. Für die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer bedeutet das, dass untertags alle Fahrstreifen befahrbar sind, jedoch nachts teilweise Spursperren notwendig sind.  

Da diese Konstruktion erstmals zum Einsatz kam und viele Verkehrsteilnehmende dann stärker abbremsten als notwendig, waren umfangreiche Staus die Folge. Unser Kunden-Service-Telefon und Social-Media-Kanäle wurden intensiv genutzt, um konkrete Fragen zu stellen, seinen Unmut kundzutun, aber auch Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.

Neben den wertvollen Erfahrungen, die wir sammeln konnten, zeigte sich, dass wir die Bauarbeiten mithilfe dieser Konstruktion früher abschließen konnten, als es ursprünglich geplant war. Auch im Baustellenjahr 2020 wird eine solche Abdeckung für den Tausch der Dehnungsfuge an der Praterbrücke eingesetzt – diesmal in die andere Fahrtrichtung.

Geht’s auch ohne Fahrbahnübergänge?

Ingenieure der TU Wien haben vorgemacht, was bislang kaum denkbar war – eine Brücke ohne Dehnfugen. Statt die Verformung der Brücke mit Fahrbahnübergängen auszugleichen, werden hier 20 bis 30 Betonelemente hintereinander aufgereiht und mit Seilen aus einem speziellen Glasfaser-Werkstoff miteinander verbunden. Die ganze Konstruktion erinnert an eine Perlenkette, die auf einem Gummiband aufgefädelt ist: Wird daran gezogen, etwa beim Zusammenziehen bei kaltem Wetter, erhöht sich der Abstand zwischen den einzelnen Perlen gleichmäßig.

Diese „integralen Brücken“ gleichen kleinere Längenunterschied von Brücken zwischen Sommer und Winter aus. Wenn sich die Brücke im Winter wieder verkürzt, entstehen zwischen den einzelnen Betonelementen kleine Spalten im Millimeterbereich. Somit besteht keine Gefahr für die Asphaltfahrbahn oder unsere Kundinnen und Kunden.

Am Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien wurde auch eine passende Asphaltmischung entwickelt, mit der die Betonelemente bedeckt werden. Diese Mischung ist flexibel genug, um die millimeterkleinen Bewegungen mitzumachen, ohne dabei rissig zu werden. Das erste Mal zum Einsatz kam diese Technik bei der Satzengrabenbrücke an der A 5 in Niederösterreich, wo sich das Pilotprojekt auch bestens bewährt hat.

Bei integralen Brücken fallen die oben beschriebenen Probleme bei der Wartung weg. Wenn auf Brückenlager verzichtet werden kann, fällt einiges an Technik weg und die Baukosten verringern sich. Auch das Design der Brücke wird schlanker. Gleichzeitig ist die Planung aufwändiger, denn die auf die Brücke wirkenden Kräfte, müssen genau berechnet und eingeplant werden.  

 

Fahrbahnübergänge sind von bestehenden Brücken nicht wegzudenken. Austausch, Wartung und Reinigung von Fahrbahnübergängen bleiben für die Erhaltung von Brücken weiterhin schlichtweg notwendig. Diese Tatsache wird die erwarteten Verkehrsbehinderungen an der A 23 wohl nicht mindern, wir hoffen aber, dass wir Sie zumindest von der Notwendigkeit dieser Sanierungsarbeiten überzeugen konnten. 

Lars Grygier
Lars Grygier

Projektleiter Bau Ost, Region Wien/A4/A6 - ASFINAG Bau Management GmbH

Lars Grygier ist seit Oktober 2010, zuerst als Techniker und derzeit als Projektleiter im Bau, bei der ASFINAG tätig. Er arbeitet im Großraum Wien und wickelt Projekte bei bestehenden Objekten ab. Vor seiner Tätigkeit bei der ASFINAG war er sieben Jahre lang als Bauleiter in einem Ingenieurbau tätig, wo er überwiegend Neubauprojekte umgesetzt hatte - unter anderen war er für einen Abschnitt auf der A 5 Nord/Weinviertel Autobahn verantwortlich.