Nachhaltigkeit und Autobahnen – ein Widerspruch?
Das Thema Nachhaltigkeit hat auf Grund der Klimakrise global und gesellschaftspolitisch einen hohen Stellenwert. Als Infrastrukturbetreiber und Mobilitätspartner sehen auch wir uns in der Verantwortung, wesentliche Beiträge zur Erreichung der Klimaziele zu leisten. Aber Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Autobahnbau – passt das überhaupt zusammen?Wir gehen vom Neubau in die Erhaltung
Wie haben wir uns den Autobahnbau der Zukunft denn überhaupt vorzustellen? Während der Fokus in den letzten Jahrzehnten unbestritten auf dem Neubau von Streckenabschnitten lag, werden wir uns zukünftig insbesondere mit der Erhaltung unseres Streckennetzes auseinandersetzen. Wieso? Große Abschnitte unserer Autobahnen stammen aus den 1970ern und 1980ern und kommen daher zunehmend in die Jahre. Um das Streckennetz trotzdem auch weiterhin verkehrssicher und zukunftsfit zu halten, konzentrieren sich unsere Investitionen nun vor allem auf den Erhalt der bestehenden Infrastruktur. So fließen von den mehr als sieben Milliarden Euro, welche von uns bis 2027 in die Autobahnen und Schnellstraßen investiert werden, immerhin 4,4 Milliarden Euro in Erhaltungsmaßnahmen.
Nichtsdestotrotz handelt es sich auch bei unseren Erhaltungsmaßnahmen um Bauprojekte inklusive der damit zusammenhängenden Treibhausgasemissionen. Und genau hier werden wir ansetzen, um durch mehr Nachhaltigkeit im Bau die Dekarbonisierung unserer Baustellen voranzutreiben. Wie wir das bewerkstelligen wollen? Schauen wir uns das Ganze einmal im Detail an…
Die Baubranche als eine der größten CO2-Emittenten
Die Baubranche ist weltweit für rund 38 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Wichtige Faktoren dafür sind die Herstellung kohlenstoffintensiver Baumaterialien (zB Stahl, Zement) und der Transport ebendieser Materialien zu den Baustellen. Faktoren, die natürlich auch bei unseren Erhaltungsprojekten schlagend werden, wie man anhand des Beispiels unserer prognostizierten Erhaltungsaufwendungen und der damit einhergehenden Treibhausgasemissionen im Brückenbau gut erkennen kann.
Würden wir so weiter wirtschaften wie bisher, würden die durch unsere notwendigen Instandsetzungen verursachten Treibhausgasemissionen im Jahr 2045 ihren absoluten Höhepunkt erreichen – und damit komplett gegenläufig zu dem von der Europäischen Union vorgegebenen Netto-Null-Emissionspfad verlaufen, welcher bis zum Jahr 2050 (in Österreich sogar 2040) zu einer vollständigen Klimaneutralität führen soll. Ein Dilemma, welches uns vor große Herausforderungen stellt. Um das Delta zwischen dem vorgegebenen Weg und den prognostizierten Treibhausgasemissionen schließen zu können, müssen wir das Bauen demnach in den nächsten Jahren grundsätzlich neu denken lernen.
Unser großer Vorteil dabei ist, dass wir als Betreiber des Bundesstraßennetzes zu einer der größten öffentlichen Auftraggeberinnen Österreichs zählen und damit einen nicht unwesentlichen Einfluss auf den Markt haben. Diesen Einfluss wollen wir nutzen, um wesentliche Impulse zur Reduktion der Treibhausgasemissionen im Bausektor zu setzen. Damit uns dabei auch nicht der kleinste Hebel verborgen bleibt, haben wir in der Baumanagement GmbH (BMG) eigens zu diesem Zweck ein „interdisziplinäres Team Nachhaltigkeit“ ins Leben gerufen. Bestehend aus Expertinnen und Experten aus den Bereichen Asset Management, Bauwirtschaft und Vergabe sowie Umwelt- und Verfahrensmanagement werden Fragestellungen zum Thema Nachhaltigkeit im Baumanagement aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, Zielkonflikte beleuchtet und Lösungsansätze diskutiert. Zudem machen wir uns die Ko-Kreativität zu Nutze und arbeiten gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus den operativen Einheiten an der Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie der ASFINAG. Abgeleitet aus der Konzernstrategie basiert diese auf den Eckpfeilern „Mobilitätsstrategie“, „Energiestrategie“, „nachhaltiges Wirtschaften“ und „Biodiversität“. Unsere (sich derzeit in Ausarbeitung befindliche) Roadmap gibt dabei die wesentlichen Schritte bis zum Ziel der unternehmensweiten CO2-Neutralität im Jahr 2030 vor.
Wo wollen wir ansetzen?
Ein wesentlicher Baustein zur Dekarbonisierung unserer Baustellen ist der Einsatz CO2-emissionsarmer Materialien (zB Ökobetone, Recyclingstahl mit 100% Schrottanteil, Holz) sowie die Erhöhung der Lebensdauer unserer Infrastrukturen. Prinzipiell gilt: je höher die (Rest)lebensdauer einer Infrastruktur, desto nachhaltiger ist diese auch. Oberste Priorität hat für uns also auch weiterhin eine möglichst lange Erhaltung unserer bestehenden und zukünftigen Infrastrukturen durch Optimierung der Qualität in Planung und Ausführung sowie Erhöhung der Dauerhaftigkeit von Bauweisen. Maßgebliche Hebel zur Reduktion von Treibhausgasemissionen sind außerdem in der Anwendung ressourceneffizienter Bauweisen (zB durch Einsatz von Ultrahochleistungsbaustoffen wie UHPC) sowie der Priorisierung CO2-minimierter Bauprozesse (zB Reduktion der Transportwege) zu finden.
Mögliche Einsparungspotentiale stehen jedoch immer auch im Spannungsfeld mit unseren hohen Anforderungen, wie beispielsweise der Verkehrssicherheit. Daraus entstehen Zielkonflikte, die wir genau untersuchen müssen. Vor diesem Hintergrund setzen wir uns unter anderem damit auseinander, wie und wo wir CO2-emissionsarme Baustoffe – wie zum Beispiel Holz – auf unserem Netz einsetzen können. An Objekte entlang unserer Strecken werden enorme Ansprüche hinsichtlich Haltbarkeit gestellt – vor allem, um die Verkehrssicherheit der Verkehrsteilnehmenden, sowie die Sicherheit unserer Streckenarbeiter:innen sicherzustellen. Wenn nun allerdings Bauteile aus Holz entlang der Strecke eingesetzt werden, ist mit einem deutlich erhöhtem Instandhaltungsaufwand zu rechnen. Dieser verursacht Verkehrseinschränkungen und mögliche Staubildungen, die mit negativen Klimafolgen verbunden sind, aber auch die Unfallgefahr erhöhen. Ein potenzieller Einsatz des Baustoffs Holz ist daher bei erforderlichen Neuerrichtungen von Bauwerken hinsichtlich der induzierten Treibhausgasemissionen über alle Lebensphasen genau abzuwägen und den negativen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit gegenüberzustellen. Während es also beispielsweise die Errichtung einer Brücke aus Holz im Detail zu evaluieren gilt, eignet sich der Baustoff hervorragend zur kurzfristigen Umsetzung von Maßnahmen abseits des eigentlichen Streckennetzes, wie beispielsweise der Errichtung von Lichtmasten aus Holz auf Rastplätzen.
Große Chancen sehen wir auch in der Kreislaufwirtschaft (optimierte Ressourcennutzung und Reduktion von Primärrohstoffeinsatz), der CO2-Bewertung von Baustellen (zB Monitoring der THG-Emissionen von Bauvorhaben) sowie der Vergabe (zB Etablierung neuer Standards für die Beschaffung bei Bauvorhaben).
Kein Fortschritt ohne Forschung, keine Nachhaltigkeit ohne Innovation
Auf unserer Baustelle der Zukunft werden Transportwege durch einen ausschließlich regionalen Bezug von Materialien auf ein Minimum reduziert. Baumaschinen werden elektrisch betrieben, wodurch Baustellenlärm reduziert und klimaschädigende Treibhausgasemissionen vermieden werden. Der gesamte Baustellenstrom wird klimafreundlich aus erneuerbaren Energien produziert. Um diese Vorstellung auch Realität werden zu lassen braucht es Innovation, für Innovation braucht es Forschung. Aus diesem Grund laufen bei uns zahlreiche Forschungsprojekte zu allen diesen Themen.
Passen nun Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Autobahnbau zusammen? Natürlich ist das klimafreundlichste Bauprojekt jenes, das gar nicht erst umgesetzt wird. Nachhaltig wirtschaften bedeutet aber auch, die uns bereits zur Verfügung stehenden Infrastrukturen möglichst lange zu nutzen und weiter zu erhalten. Dafür werden bauliche Instandhaltungsmaßnahmen notwendig. Und wir arbeiten täglich daran, diese so klimafreundlich wie möglich umzusetzen und die CO2-Bilanz kontinuierlich zu reduzieren.
Unsere Antwort daher: Nein, Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Autobahnen sind kein Widerspruch.