Seit Jahren ist die Luegbrücke in Tirol mehr oder weniger in aller Munde. Sie kommt langsam, aber sicher ans Ende ihrer Lebenszeit und muss generalsaniert werden. Und das in Form der Wiederrichtung mit einer neuen Brücke. Bis es so weit sein wird, gilt das Motto: keine Kompromisse bei der Sicherheit. Aus diesem Grund errichten wir seit Ende 2021 eine „Brücke unter der Brücke“: An vier neuralgischen Stellen unter den sogenannten Konsolen der Bestandsbrücke werden Stahl-Fachwerks-Träger eingebaut. Sie sorgen im Fall eines Versagens des Bauwerks dafür, dass diese Träger die gesamte Last der Brücke aufnehmen können. So soll die Zeit bis zum Abschluss der Wiederrichtung der neuen Brücke überspannt werden. Also ein nicht alltägliches Bauvorhaben – mit nicht alltäglichen Herausforderungen für alle Beteiligten.

Eine Choreographie mit Ingenieurs-Know-how

Zwölf Stahlträger mit einem Gewicht von jeweils ca. 35 Tonnen müssen sicher und statisch unbedenklich von der Fahrbahn aus unter die Brücke gehoben werden. Das ist nur möglich mit einem ausgeklügelten Plan, bestmöglicher Vorbereitung und Berechnung sowie einem absolut perfekt eingespielten Team. Die Träger werden auf einem Parkplatz in der Nähe der Luegbrücke vorbereitet und zusammengebaut. Dann muss die Autobahn, meist in den Nachtstunden, gesperrt werden. Der Grund dafür: die 8,5 Meter hohen und 35 Meter langen Träger müssen entgegen der Fahrtrichtung mit Spezialfahrzeugen auf die Brücke gebracht und abgeladen werden. Der Knackpunkt: Dieses Abladen auf die Brücke erfolgt zentimeter-genau auf vorher festgelegte und eingemessene Punkte. Nur so wird sichergestellt, dass das Brückentragwerk nicht überlastet wird. Wenn das geschafft ist, erfolgt der nächste Teil der Choreographie.

Zwei große Kräne nehmen den Träger auf und sichern ihn so. Dann werden die Stahlkolosse über die Brücke auf die Talseite gehoben und seitlich heruntergelassen. Millimeter-Arbeit und Herausforderung pur. Der erlösende Moment kommt dann, wenn der Träger eingefädelt und auf die Verschubbahnen, die sich unter der Brücke befinden, aufgelegt werden kann. Das erfordert absolute Präzisionsarbeit bis zur letzten Sekunde – bis der Träger sicher fixiert ist.

Dieser Stahlträger-Tanz mit höchster Präzision muss für alle zwölf Träger wiederholt werden. Bis Ende November des heurigen Jahres sollen die letzten beiden Träger unter die Luegbrücke kommen.

Projekt der Superlative für Sicherheit

570 Tonnen Stahl werden verbaut, die Träger sind mehr als acht Meter hoch und 35 Meter lang. Vor den Arbeiten wurden über 400 Laufmeter Steinschlagschutz errichtet, um auch für die Arbeiter höchstmögliche Sicherheit zu gewährleisten. Die Luegbrücke ist zudem die längste Autobahnbrücke Österreichs – und das auf der höchstgelegenen Autobahn Europas. Immerhin erreicht die Brennerautobahn gleich nach der Luegbrücke 1.370 Meter Seehöhe.

Die Brücke unter der Brücke ist dabei „nur“ für einen eventuellen Schadensfall gedacht, der unwahrscheinlich scheint und hoffentlich nicht eintreten wird.

Ein Sicherheitsnetz für die Luegbrücke

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Zwei moderne Brücken am Tor zum Süden

Das eigentliche Hauptprojekt ist die Wiederrichtung der Luegbrücke. Neben der derzeit bestehenden „alten“ Luegbrücke errichten wir ein neues Tragwerk, das hoffentlich ab 2024 begonnen werden kann. Nach zweieinhalb bis drei Jahren Bauzeit können wir dann den Verkehr von der alten auf die neue Brücke umlegen – diese wird zwei Spuren pro Richtung für die Dauer der weiteren Arbeiten ermöglichen. Im Anschluss brechen wir die alte Brücke ab und bauen an dieser Stelle ein zweites neues Tragwerk auf. Nach Fertigstellung verfügen wir dann in diesem Bereich über zwei Spuren pro Richtung und – erstmals – mit ausreichend breitem Pannenstreifen für mehr Verkehrssicherheit.

Sicherheit bis zum Neubau hat absoluten Vorrang

Der Weg dorthin ist jedoch noch weit – und mit einer besonderen Herausforderung verbunden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann die alte Brücke ab 2025 nur noch mit einer Fahrspur pro Richtung unter Verkehr gehalten werden. Die ASFINAG will natürlich versuchen, alle Fahrspuren so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. All das wird jedoch final von einer Brückenprüfung im Jahr 2024 abhängen, die dann Grundlage sein wird für die weiteren notwendigen Schritte.

Der Grund dafür ist das Alter und der Zustand der Brücke – wir gehen bei der Sicherheit für die Verkehrsteilnehmenden einfach keine Kompromisse ein. Dieser Umstand macht es umso wichtiger, dass wir den Neubau rasch abschließen. Denn: Die „Brücke unter der Brücke“ ist keine Verstärkung des alten Tragwerks, sondern ein Sicherheitstragwerk für den hoffentlich nie eintretenden Fall der Fälle.

Natürlich wissen wir, was eine Einspurigkeit auf der Luegbrücke in Sachen Verkehrsbehinderungen, Stau und Lkw-Verkehr in Tirol bedeutet. Deswegen arbeiten wir bereits intensiv an möglichen Lösungen für diese Zeit – zusammen mit dem Land, der Polizei und allen Beteiligten. Denn nur gemeinsam können wir diese Situation bewältigen.

Was wir hier machen, ist weder alltäglich noch einfach. Jeder Handgriff, jeder Transport erfordert absolute Präzision. Zum Glück ist hier ein eingespieltes Team an der Arbeit – ohne Hektik und Stress. Jede Nachtschicht ist anstrengend, jetzt im November ist es auch immens kalt. Wir wissen aber, dass wir hier für die Sicherheit unterwegs sind.
Martin Kirchmair Projektleiter der ASFINAG Bau Management GmbH
Martin Kirchmair
Martin Kirchmair

Projektleiter Luegbrücke, ASFINAG Bau Management GmbH

Martin Kirchmair ist seit 2000 bei der ASFINAG und seit 2017 bei der Baumanagement GmbH. Als ehemaliger Leiter des Betriebs, des Asset Managements und für Bauen am Bestand der ASFINAG Alpenstraßen GmbH bringt er seine Erfahrung jetzt bei Bauvorhaben ein – allen voran bei der Luegbrücke auf der Brennerautobahn.