Für unseren „Faktencheck Automatisiertes Fahren“ haben wir uns einen ausgewiesenen Experten an Bord geholt: Gemeinsam mit Prof. Dr. Daniel Watzenig von der Technischen Universität Graz / Virtual Vehicle Research Center sind wir der Sache auf den Grund gegangen und haben hier die Highlights für Sie zusammengefasst.

Automatisiert, Autonom, Selbstfahrend, Fahrerlos: Alles klar?

Immer wieder stolpert man über diese Begriffe, aber wo ist da der Unterschied? Ganz einfach: Automatisiert steht für die unterschiedlichen Entwicklungsstufen, beginnend bei Level 0 (keine Automatisierung, die fahrende Person wird durch keinerlei Assistenzsysteme unterstützt) bis Level 5 (Vollautomatisiert, das Fahrzeug kann alles alleine). Die Begriffe „Autonom“, „Selbstfahrend“, „Fahrerlos“ bezeichnen immer den Level 5, wo sich das Fahrzeug auch ohne eine steuernde Person durch den Verkehr bewegen kann.

Während in den Medien häufig das Wort ‚Autonomes Fahren‘ verwendet wird, sprechen Experten lieber vom ‚Automatisierten Fahren‘. Autonom würde sinngemäß nämlich bedeuten, dass die Fahrzeuge völlig eigenständig entscheiden, wann sie wohin fahren, und das ist nicht wirklich das Ziel der Entwicklung.
Prof. Watzenig Technischen Universität Graz / Virtual Vehicle Research Center

Bietet das Automatisierte Fahren nur Vorteile, oder gibt es auch Risiken?

Mit der Entwicklung der Automatisierung steigt auch die Entwicklung der Kommunikation zwischen den Fahrzeugen untereinander, aber auch zwischen den Fahrzeugen mit dem Betreiber der Infrastruktur (z.B. für Autobahnen und Schnellstraßen sind das wir, die ASFINAG). Dadurch können Informationen zu Witterungsverhältnissen, Verkehrssituation oder Behinderungen ausgetauscht werden. Durch diesen ständigen Informationsfluss ist eine höhere Verkehrssicherheit (= weniger Unfälle!) und ein besserer Verkehrsfluss (= weniger Stau!) zu erwarten.

Wie hoch diese Potenziale aber tatsächlich sind, hängt von vielen Faktoren ab, die derzeit noch nicht ausreichend bekannt sind. Hier nur ein Beispiel: Wie groß soll der zukünftige Mindestabstand zwischen automatisierten Fahrzeugen sein? Ein kleiner Abstand verhilft zu mehr Kapazität auf der Straße, erhöht aber wiederum das Unfallrisiko im Falle einer Störung. Bis hier definitive Aussagen getroffen werden können, sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen auf europäischer und nationaler Ebene zu definieren. Und wir wissen: sowas geht nicht von heute auf morgen.

Vollautomatisierte (fahrerlose) Fahrzeuge verhelfen Menschen, die heute nicht selbst fahren können (z.B. Menschen mit Handicap) oder dürfen (z.B. Menschen ohne Führerschein) zu einem höheren Grad an individueller Mobilität. Andererseits kann genau dadurch deutlich mehr Verkehr auf unseren Straßen entstehen, was wiederum zu mehr Stau führen kann.

Ein weiterer Aspekt ist das Thema Datensicherheit. Mit der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung in den Fahrzeugen ist auch eine steigende Gefahr für Datenmissbrauch und Hacker-Angriffe gegeben.

Systeme, welche zu 100 Prozent sicher sind, wird es nicht geben. Es geht darum, das Risiko möglichst zu minimieren und zu definieren, welches Schadensrisiko in Kauf genommen wird. Das ist jedoch in vielen anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Medizin ebenso.
Prof. Watzenig Technischen Universität Graz / Virtual Vehicle Research Center

Wann wird es Fahrzeuge geben, die wirklich alles selber können?

Wann vollautomatisierte Fahrzeuge auf unseren Straßen unterwegs sein werden, lässt sich derzeit nur abschätzen. In heutigen Serienfahrzeugen sind bereits Systeme wie Autobahnpilot oder Einparkassistenten verbaut. Diese Assistenzsysteme entsprechen dem Automatisierungs-Level 1 bis 2. Ab 2019 werden die ersten Serienfahrzeuge erwartet, die mit Level 3 Funktionen ausgestattet sind. Damit könnte auf der Autobahn zeitweise die Steuerung komplett dem Fahrzeug überlassen werden. Bevor diese Systeme jedoch verwendet werden können, muss erst eine Zulassung bei der Europäischen Kommission erfolgen. Diese Zulassung wird für 2019 angestrebt, aber ob sie tatsächlich kommt, werden wir wohl erst im nächsten Jahr wissen.

Beim Vollautomatisierten Fahren (Level 5) ist die Komplexität der Fahrfunktionen enorm, da das Fahrzeug sämtliche Fahraufgaben zu jedem Zeitpunkt und in jeder Situation ausführen muss.

Speziell im Bereich der Umfelderfassung und dem Bearbeiten von logischen Zusammenhängen ist eine ausreichende Zuverlässigkeit derzeit noch nicht gewährleistet. Mit vollautomatisierten Serienfahrzeugen ist daher frühestens ab 2030 zu rechnen.
Prof. Watzenig Technischen Universität Graz / Virtual Vehicle Research Center

Kann in anderen Ländern schon automatisiert gefahren werden? Was tut sich diesbezüglich in Österreich?

Auch wenn man immer wieder Medienberichte liest oder sieht, die einen glauben machen, dass in den USA bereits autonom gefahren werden kann, während in Europa die Entwicklung viel zu langsam sei: Fakt ist, dass vollautomatisiertes Fahren (Level 5) derzeit noch in keinem Land der Welt zur allgemeinen Verwendung erlaubt ist. Auch in den USA gibt es noch keine Zulassung für vollautomatisierte Fahrzeuge, ausgenommen für Testzwecke Die Verwendung von Assistenzsystemen bis zu Level 3 ist aber in einigen Ländern bereits erlaubt.

Auch in Österreich tut sich einiges rund um das Thema. Das neue „Aktionspaket Automatisierte Mobilität“ des Bundesministeriums gibt einen umfangreichen Überblick. 

Interessantes Basiswissen zum Thema selbstfahrende Autos finden Sie auch im Artikel: „5 Fragen und 10 Antworten über Automatisiertes Fahren“

Sie wollen noch tiefer in die Materie eintauchen? Dann laden Sie sich den gesamten Faktencheck Automatisiertes Fahren in Österreich“

Bernhard Hintermayer
Bernhard Hintermayer

Strategische Entwicklung von Rastanlagen und Multimodalität

Bernhard Hintermayer ist seit 2012 bei der ASFINAG tätig. Nach drei Jahren als Projektleiter in der Planungsabteilung ergänzte er das Team der Technischen Koordination seit 2015. Nunmehr hat er in der Abteilung Konzernsteuerung die strategische Verantwortung für die Themen „Parken und Rasten“ sowie „Multimodalität“.