Lawinen halten sich nicht an Regeln

Bereits beim Bau der Arlberg Schnellstraße in Tirol und Vorarlberg wurde eine Vielzahl an Schutzbauten – insbesondere Galerien und Tunnel - als Schutz vor Lawinen errichtet. So findet man allein auf einem 17 Kilometer langen Abschnitt der Arlberg Schnellstraße insgesamt elf Kilometer an Lawinenschutzgalerien und- tunnel. Diese haben sich in den letzten Jahrzehnten aus meiner Sicht bewährt. Wie schnell jedoch selbst beste Schutzmaßnahmen an ihre Grenzen stoßen, zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher.

Für mich als Tiroler war vor allem eine Katastrophe ein einschneidendes Erlebnis. 1999 im kleinen Tiroler Ort Galtür. Mehrere Lawinen verwüsten den gesamten Ort, fordern 38 Tote und zahlreiche Verletzte. Die absolute Katastrophe ist eingetreten. Allein in diesem Februar 1999 wurden in den Tiroler Bezirken Landeck und Imst 48 Lawinenabgänge gezählt. Die Naturgewalt hatte unbarmherzig zugeschlagen.

Für mich gab es nach diesem Erlebnis eine wesentliche Erkenntnis: Der Zeitpunkt, wann genau Schutzbauwerke benötigt werden, lässt sich nicht immer vorhersagen. Wichtig ist, entsprechend vorbereitet zu sein. Genau deswegen haben wir uns in den vergangenen Jahren intensiv dem Thema Naturgefahren gewidmet.

2014 als Jahr des Naturgefahren-Managements

Vor knapp fünf Jahren haben wir eine Strategie zum Naturgefahren-Management beschlossen. Seitdem sind umfassende Erhebungen und Maßnahmen zum Schutz vor Naturgefahren gestartet worden. Und diese Arbeit ist aufwendig und spannend. Weil Lawinen oder Muren keiner Uhrzeit folgen und unregelmäßig auftreten, müssen wir historische Behördenbescheide und Informationen ausgraben und untersuchen. Am Ende dieser Arbeit entstehen Gefahrenhinweiskarten, die gerade für unsere Kolleginnen und Kollegen unschätzbaren Wert haben. Bereits über 1.500 bestehende Schutzbauwerke haben wir dort übersichtlich aufgelistet – Risikobereiche klar gekennzeichnet. Das Ergebnis: Für Bereiche, die gemäß dieser Auflistung noch nicht ausreichend geschützt sind, müssen wir Maßnahmen entwickeln und errichten. Deswegen investieren wir allein auf der Arlberg Schnellstraße in Vorarlberg zehn Millionen Euro in Schutzvorrichtungen in den kommenden sechs Jahren.

Lawine auch Thema bei Bahn, Land und Gemeinden

Die Arlberg Schnellstraße liegt teilweise auf 1.300 Meter Seehöhe – also mitten im alpinen Bereich. In vielen Abschnitten verläuft parallel dazu auch die Bahnstrecke. Nun – eine Lawine überrollt auf ihrem Weg ins Tal alles – also auch Bahn und Straße. Deswegen stimmen wir uns regelmäßig mit den Behörden, Bundesbahnen, Gemeinden und Ländern ab, um aktuelle Informationen zu verwerten. Mit dem Ziel, im Falle des Falles möglichst frühzeitig die richtigen Schritte einzuleiten.

Solche Vorkehrungen sind etwa kontrollierte Lawinensprengungen wie auf der Tauern Autobahn bei Flachau. Aber auch die ganzjährige Überprüfung der Sicherheitseinrichtungen entlang der Strecke gehört dazu.

Die Hotspots hinsichtlich Lawinengefahr in unserem Netz sind das Arlberggebiet, die Tauern Autobahn und Abschnitte der Pyhrn Autobahn.

⭐ Apropos Abstimmung: Wir tauschen uns sogar auf internationaler Ebene intensiv aus. So war Tirol im Oktober 2018 Schauplatz des weltweit größten Kongresses von Lawinenexperten. 1.000 Fachleute waren angereist, um sich über Schutzeinrichtungen oder Lawinenforschung auszutauschen. Die ISSW (International Snow Science Workshop) ist die weltweit größte Fachkonferenz zum Thema Schnee und Lawinen. Besonders im Fokus dabei: der Schutz von Straßen vor Lawinen. ⭐

Der Schutz vor Lawinen ist derzeit das beherrschende Thema in allen Medien. Seit Tagen bereits sind Vorarlberg und Tirol auf Lawinenwarnstufe vier – für Teile der Steiermark, Niederösterreichs und Salzburgs wurde bereits die höchste Warnstufe fünf ausgerufen. Das bedeutet: Unsere Autobahnmeister stehen in ständigem Kontakt mit den regionalen Lawinenkommissionen, um stets aktuelle Informationen über die Lage zu erhalten.

Lawinen sind aber nicht die einzige Gefahr, die von den enormen Schneemassen ausgehen. So kam es diesen Winter auch zum Einsatz eines Blackhawk-Hubschraubers auf der A 12 gegen die Schneelast auf den Bäumen. 

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Der derzeitige Schneefall ist enorm und hat die 100-Zentimeter-Grenze schon längst überschritten. Gerade bei mir an der Arlberg Schnellstraße gibt es viele Täler, die mit aller Kraft gegen die Schneemassen kämpfen. Lawinen gehören hier zum winterlichen Leben dazu. Sollte Gefahr im Verzug sein, reagieren wir sofort. Dann informieren uns die Lawinenkommissionen umgehend.
Stefan Falch Autobahnmeister St. Jakob am Arlberg

Die Strecken sind also auch im alpinen Bereich gut geschützt. Sollte es dennoch zur Gefahr kommen, ist die Vorgehensweise glasklar. In Abstimmung mit den Lawinenkommissionen und den Behörden sperren wir Streckenabschnitte bereits frühzeitig: also höchstmöglicher Schutz noch vor Eintreten eines Lawinenabgangs. Trotzdem: Die Natur ist unberechenbar – trotz aller Sicherheitsvorkehrungen kann der Fall der Fälle nie ganz ausgeschlossen werden.

Klaus Gspan
Klaus Gspan

Teamleiter Netzplanung im Westen

Klaus Gspan arbeitet seit 2006 bei der ASFINAG und ist als Teamleiter für die Netzplanung im Westen Österreichs zuständig. Gerade in Tirol und Vorarlberg spielen aufgrund der topografischen Bedingungen Themen wie Ausbau der Infrastruktur, Verfügbarkeit, Lärmschutz und Schutz vor Naturgefahren eine wesentliche Rolle. Das Mithelfen, eine sichere und möglichst optimale Infrastruktur für diese Bundesländer bereit zu stellen, ist nicht nur Aufgabe für ihn, sondern auch seine große Leidenschaft.